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Alternativer Kraftstoff HVO100-Diesel eine Übergangslösung für den Schwerlastverkehr ? [Quelle: AGL]

Verwendung von HVO100 Diesel wird getestet

Die AGL rüstet seit einigen Jahren Ihre Fahrzeug- und Geräteflotte systematisch auf alternative Antriebe um und setzt dabei vor allem auf den elektrischen Antrieb um den Ausstoß von Treibhausgasen und Feinstpartikeln stetig zu reduzieren. Der dazu benötigte Strom kann überwiegend im betriebseigenen Blockheizkraftwerk (BHKW) der Kläranlage erzeugt werden. So sind aktuell aktuell z.B. zwei elektrisch getriebenen Kehrmaschinen in der Beschaffung befindlich, die Mitte 2025 in Dienst gestellt werden sollen. Für viele Groß- und kommunale Spezialfahrzeuge gibt es ist aber heute noch keine Serienfertigung mit emissionsfreien Antrieben, so dass man weiterhin auf den Dieselantrieb angewiesen sein wird. „Wir müssen auch im Not- und Katastrophenfall, möglicherweise bei Bedarf auch überörtlich, mobil bleiben um z.B. bei Schneekatastrophen, Hochwassereinsätzen, Waldbränden usw. zur Unterstützung vor Ort Hilfe leisten zu können. Für diese Einsatzszenarien kommen Fahrzeuge und Geräte mit alternativen Antrieben heute noch nicht planmäßig in Frage“, so Geschäftsführer Lars Strehse.

„Der neue Diesel ist nicht unumstritten, aber derzeit für uns die einzige Alternative um bei Dieselfahrzeugen annähernd klimaneutal zu werden. So hat z.B. der Flughafen Hamburg seine Fahrzeugflotte bereits 2016 vollständig und problemlos auf die Versorgung mit HV0-Diesel umgestellt und bestätigt uns die positiven Erfahrungen. Der HVO100 Diesel ist ein zugelassener Kraftstoff“, so Betriebshofleiter Frank Fugel.

Auch die AGL startet jetzt mit einem Test des Einsatzes von HVO100 Diesel um möglicherweise so die Treibhausgasbilanz ihrer Mobiltät zu verbessern.

Warum will die AGL den HVO100 Diesel testen ?

Die Dieselkraftstoff-Alternative HVO, hergestellt aus Abfall- und Reststoffen, soll 90 % weniger CO2 als fossiler Diesel verursachen. Nur Elektromobilität reicht nicht, um die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen. Denn alleine über Neufahrzeuge, also den Austausch der Fahrzeugflotte, werden sich die CO2-Ziele nicht fristgerecht erfüllen lassen. Es gilt daher, vor allem die Bestandsflotten aus Fahrzeugen und Geräten bei den Nutzfahrzeugen mit fossil betriebenen Verbrennungsmotoren klimafreundlicher zu machen, und zwar mit alternativen Kraftstoffen. Wie zum Beispiel mit hydriertem Pflanzenöl (HVO), das aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt wird.  

Der Bundesrat hat in 2024 die 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung (10. BImSchV) sowie das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG) verabschiedet. Damit können künftig saubere Dieselkraftstoffe aus ausschließlich erneuerbaren Quellen zum Einsatzkommen, wie zum Beispiel HVO100 Diesel und E-Fuels (gemäß DIN EN 15940). Bisher konnte HVO dem herkömmliche Diesel nur beigemischt werden. Auch in der Hansestadt Lüneburg wird seit Kurzem HV100 Diesel angeboten, so dass die Verwendung jetzt gestestet werden kann.

Was ist hydriertes Pflanzenöl ( HVO ) ?

Hydrierte Pflanzenöle (HVO, englisch Hydrogenated oder Hydrotreated Vegetable Oils) sind paraffinische Dieselkraftstoffe, die durch Hydrierung von Fetten und Ölen gewonnen werden. Neben Pflanzenölen können Abfälle sowie Öle und Fette aus Reststoffen, wie beispielsweise gebrauchtes Speiseöl, eingesetzt werden. Bei der Umesterung zu Biodiesel, stellt die Umsetzung mit Wasserstoff wohl geringere Anforderungen an die Herkunft und Qualität der Ausgangsstoffe. 

Wie wird HVO100 Diesel hergestellt ?

Die Pflanzenöle werden durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff (Hydrierung) in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Die Hydrierung führt zu einer Spaltung der Fette und Öle, bei der auch alle Sauerstoffatome und ungesättigten Bindungen entfernt werden. Aus den Fettsäuren entstehen langkettige Paraffine, der Glycerinanteil wird in Propangas konvertiert und der Sauerstoff als Wasser gebunden. So werden Paraffine aus Biomasse erzeugt. Man spricht von Bioparaffinen. 

Dabei bieten sich zur Herstellung von HVO-Kraftstoffen grundsätzlich zwei Wege an, und zwar zum Einem die gemeinsame Hydrierung mit Mineralölprodukten in einer herkömmlichen Raffinerie oder zum Anderem die ausschließliche Hydrierung von Pflanzenölen in speziellen Anlagen.

Wie unterscheiden sich HVO100 Diesel und Biodiesel ?

HVO wird gelegentlich mit Biodiesel verwechselt. Beide Kraftstoffe werden aus organischen, d.h. erneuerbaren Biomassen hergestellt und sollen fossile Brennstoffe ersetzen, unterscheiden sich aber in ihrer chemischen Zusammensetzung und im Produktionsprozess. Chemisch handelt es sich bei Biodiesel um Fettsäuremethylester (FAME). Im Gegensatz zum Biosdiesel soll der HVO100 Diesel eine höhere Energiedichte und wesentlich bessere Kälteeigenschaften besitzen, wodurch die Verstopfung des Kraftstofffilters oder Probleme beim Kaltstart vermieden werden sollen. Im Gegensatz zu Biodiesel enthält der HVO100 Diesel keinen Sauerstoff und soll somit besser lagerfähig sein.

Welche Eigenschaften soll der HVO100 Diesel haben ?

Die Eigenschaften sollen sehr dieselähnlich sein. Hydrierte Pflanzenöle unterscheiden sich jedoch von fossilem Diesel in zwei Parametern: Ihre Dichte ist etwas geringer als die Dichte mineralischen Diesels und die Cetanzahl als Maß für die Zündwilligkeit des Kraftstoffs ist dagegen mit einen Wert von bis zu 99 deutlich höher als bei fossilem Diesel, aber auch als bei Biodiesel beziehungsweise Pflanzenöl. 

Hydrierte Pflanzenöle lassen sich mit beliebigem Anteil oder als Reinkraftstoff (HVO100) verwenden und im Raffinerieprozess bei der Dieselherstellung einspeisen (Cohydrate). Die Motorverträglichkeit soll deutlich besser als bei den FAME‐Kraftstoffen sein, insofern könnten auch höhere Quoten beigemischt werden.

Was sind die Vorteile von HVO100 Diesel ?

HVO ist sauerstofffrei und soll daher eine bessere Lagerstabilität und langsamere Motorölalterung aufweisen als Biodiesel. Aufgrund der hohen Cetanzahl und damit einhergehend schnellen Zündung seien insbesondere die HC- und CO-Emissionen im unteren Lastbereich und bei kalten Motorbedingungen geringer als mit Biodiesel und fossilem Dieselkraftstoff. Im Vergleich zu Standard-Dieselkraftstoff soll sich mit HVO100 eine CO2-Reduzierung um rund 90 % („Well to Wheel“) realisieren lassen. so die Hersteller des HVO100 Diesel.

Die Reduktion von Rußemissionen soll hingegen weniger ausgeprägt sein als mit dem sauerstoffhaltigen Biodiesel.

Eine Analyse der Universietät Rostock und der FVTR GmbH soll z.B. gezeigt haben, dass HVO niedrigere NOx-Werte im Vergleich zu einem Referenzdiesel aufwies.

Was sind die Nachteile von HVO100 Diesel ?

Im Vergleich zu Biodiesel und Pflanzenölen liegt ein wesentlicher Nachteil von hydrierten Pflanzenölen im Verlust der guten biologischen Abbaubarkeit.

Werden hydrierte Pflanzenöle in speziellen Anlagen („Stand-alone-Verfahren“) hergestellt, dann hat das für die Indsutrie im Gegensatz zur Mitraffination den Nachteil höherer Anfangsinvestitionen.

Die Umwandlung der Ausgangsmaterialien in HVO100 Diesel erfordert eine große Menge Wasserstoff, der derzeit zu größten Teilen aus fossilen Energieträgern gewonnen werde und somit die gesamten THG-Einsparungen derzeit mindern dürfte.

Was muss beim Einsatz von HVO100 Diesel beachtet werden ?

Nicht alle Dieselmotoren sind für den Betrieb mit HVO100 Diesel geeignet, so dass im Vorwege mit den Herstellern geklärt werden muss, inwiefern der Motor für den Betrieb geeignet ist.

Warum steht HVO100 Diesel in der Kritik und worauf wir achten müssen ?

Das grundsätzliche Problem mit Biogas oder eben Kraftstoffen aus biogenen Material ist, das vergleichbar mit dem Biodiesel weltweit betrachtet die für die HVO-Produktion genutzten Fette und Öle meist in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion stehen. In Deutschland genutzter Biodiesel soll zu 70 % aus Rapsöl und zu 25 % aus Abfall und Reststoffen gewonnen werden HVO hingegen zu 100 % aus Palmöl, das hauptsächlich aus Asien stamme. Als Grundnahrungsmittel sei Palmöl das am meisten verbrauchte Pflanzenöl der Welt. Insbesondere auch weil Palmenbäume tiefe Erde, stabil hohe Temperaturen und viel Feuchtigkeit benötigten, würden vor allem Nichtregierungsorganisationen die steigende Palmölproduktion für die Kraftstoffherstellung kritisieren.

Für die Herstellung von Biodiesel und HVO wurden in der Europäischen Union z.B. in 2022 zwar in erster Linie Rapsöl und gebrauchtes Speiseöl verwendet. Allerdings folgt auf Platz drei schon das Palmöl, dessen Anteil am Verbrauch wohl seit 2014 recht konstant ist. Laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist im Jahr 2021 Ausgangsstoff für Biokraftstoffe neben Abfällen und Reststoffen sogar zu einem etwas größeren Anteil Palmöl. Da in Deutschland (und bereits in Frankreich, Schweden, Belgien, Österreich) seit 2023 keine Biokraftstoffe mehr aus Palmöl gefördert werden, ist mit einem weiteren Rückgang des Palmöl-Anteils zu rechnen, so die Experten und Befürworter des HVO.

Seit Januar 2023 wird die Produktion von Biokraftstoffe aus Palmöl nicht mehr vom Bund unterstützt. Anstelle des Palmöls sollen künftig nur noch fortschrittliche Biokraftstoffe aus Abfall- und Reststoffen wie etwa Gülle oder Stroh gefördert werden. Die Mineralölfirmen konnten sich die Beimischung von Palmöl auf die Treibhausgasminderungs-Quote bislang anrechnen lassen. Die Firmen dürfen Palmöl ab 2023 nicht mehr nutzen, um die gesetzlich verbindliche Quote zu erfüllen. 

Die Hersteller von HVO100 Diesel, so z.B. der finnischen Mineralölkonzern Neste betont: „Unser Kraftstoff ist zu über 90 % abfall- und reststoffbasiert. Im Jahr 2022 waren es schon 95 %. Dazu kommt ein Anteil aus zertifiziertem Pflanzenöl, das ist Sojaöl und tatsächlich auch Palmöl. Unabhängig von der Regulierung wurde aber z.B. durch den finnischen Mineralölkonzern Neste entschieden, 2023 weltweit aus Palmöl auszusteigen. In Deutschland verwendet das Unternehmen nach eigenen Aussagen schon heute kein Palmöl mehr.“ Als Ersatz für den Palmöl-Anteil soll der Einsatz von Abfall- und Reststoffe sowie von tierischen Fetten oder auch Algen erweitert werden. 

Die Bewertung des Umweltnutzens von HVO100 Diesel ist somit schwierig. Wird HVO aus Palmöl hergestellt, verschlechtert sich die Treibhausgasbilanz des Kraftstoffes deutlich, so das Bundesumweltministerium, weil wegen des Anbaus von Ölpalmen große Teile des Regenwaldes in Südostasien gerodet werden und anschließend über weite Strecken nach Europa verschifft wird. Zudem werden geeignete Altfette zumindest in Europa bereits heute schon der Energieerzeugung zugeführt. Werden sie stattdessen zur HVO-Herstellung verwendet, müssten sie womöglich in der ursprünglichen Nutzung sogar zunächst durch Erdgas substituiert werden.

„Wir werden den Betrieb unserer Groß- und Sonderfahrzeuge, sowie Geräte mit HVO100 Diesel zunächst ausgiebig technisch prüfen und auch die Überprüfung der Lieferketten durch die dafür zuständigen Behörden werden wir aufmerksam verfolgen. Es wäre völlig sinnbefreit wenn weltweit für die Produktion von HVO, auch für den bei uns in Europa bezogenen Diesel, Raubbau an der Natur stattfinden würde indem Palmölplantagen für die Kraftstoffproduktion ausgebaut werden. Wir sehen den Einsatz von HVO100 Diesel, aus Abfallstoffen, als eine sinnvolle Übergangslösung zur Nutzung der vorhandenen Flotten bei Verbesserung der THG-Bilanz, bis schwere Nutzfahrzeuge und Geräte mit Zero-Emission-Antrieben (E- oder Wasserstoffantriebe) in Serienproduktion am Markt verfügbar sind“, so der Geschäftsführer der AGL Lars Strehse.